Fulminanter Festabend, Jubiläumskonzert der Extraklasse
Wir alle kennen Jubiläumsveranstaltungen mit endlosen Ehrungen (...Gähn!) oder langweiligen Reden (er ergriff das Wort und ließ es nicht mehr los...). Nichts davon traf auf den Festabend des
Gesangvereins am letzten Samstag zu, dem Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 175. Bestehen.
Die Besucher erlebten eine sehr kurzweilige Veranstaltung mit etlichen positiven Überraschungen. Die erste bestand darin, dass aufgrund des starken Besucherandrangs nachgestuhlt werden musste. Die zweite war die Tatsache, dass nach der Begrüßung durch Vereinschefin Hanne Bartel-Thunert nur noch zwei Ansprachen folgten: Oberbürgermeister Klaus Holaschke brachte nicht nur ein kleines Geburtstagsgeschenk der Stadt mit, er trug seine Grußworte sogar in Reimen vor – die
dritte Überraschung. Michael Mireisz, der 1. Vorsitzende des Chorverbands Elsenzgau, würdigte ausführlich das Engagement der Sänger aus der Fachwerkstadt, weil auf deren Betreiben der Verband nach der Gleichschaltung im 3. Reich und dem Kriegsende wieder mit Leben erfüllt wurde und sich etliche Eppinger in der Vorstandschaft engagierten.
Die „Kraichgau Singers“ unter der Leitung von Nelli Holzki eröffneten das Programm mit der Pop-Ballade „Über'n See“. Danach schlug die Stunde der beiden Moderatoren Reinhard Dutzi und Roland Schölch, die souverän, locker und humorvoll durch den Abend führten. Sie beleuchteten in mehreren kurzen Blöcken die Vereinsgeschichte, wobei ihre Ausführungen von zahlreichen Fotos auf der Großleinwand unterstrichen wurden. Das Männerensemble „Only Men“ - ebenfalls unter der Leitung von Nelli Holzki - trug das „Bürgerlied“ vor, die Hymne der nationalliberalen Bewegung (Ziele u.a. die Abschaffung der Stände, Schaffung eines vereinigten Deutschlands), zu der damals die Gesangvereine gehörten. Aus jener Zeit stammt auch das Volkslied „Die Gedanken sind frei“, das die Sängerinnen und Sänger gemeinsam mit dem Publikum intonierten. Damals war der Gesang offenkundig eine hochpolitische Angelegenheit und nur den Herren der Schöpfung vorbehalten, was die Akteure von „Only Men“ mit dem Grönemeyer-Hit „Männer“ unterstrichen. Anschließend spielte das Akkordeonorchester Brackenheim „Skataco“ (kein Schreibfehler, sondern ein Wortspiel!), „Air“ und „Der 3. Mann“. Die „Kraichgau Singers“ boten danach Musik aus den 30er Jahren dar – am E-Piano begleitet von Tatjana Ruppert. Bei „Summertime“ sorgte Solistin Lilia Urbach mit ihrer weichen Sopranstimme bei den Zuhörern für Gänsehaut-Feeling. Und bei „Sing, Sing, Sing“ sprang der Funke über und die ganze Stadthalle swingte mit.
Den ersten Teil des Programms beschloss der „Gemischte Chor“ mit „Du passt so gut zu mir“ und „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“. Nellli Holzki schwang dabei den Taktstock für die kurzfristig ausgefallene Dirigentin Monika Morgenstern.
Der 2. Teil des Abends wurde vorwiegend von den musikalischen Gästen gestaltet. Er begann mit viel Getöse: Die „Blue Man Gang“ der Stadtkapelle eroberte sich mit ihren beiden ersten Acts schnell die Sympathien des Publikums. Anschließend sorgte der Ittlinger Chor „PureSound“ mit seinen knapp 50 Sängerinnen und Sängern unter der Leitung von Bernd Söhner für einen weiteren Höhepunkt und bewies dabei enorme musikalische Vielfalt. Sie präsentierten sich mit dem 1997 veröffentlichten „Engel“ von Rammstein, dem 1814 vertonten Silcher-Klassiker „In einem kühlen Grunde“ und dem jazzigen„The Word Was God“ von Rosephyne Powell. Etwas Wehmut kam auf, als Bernd Söhner verkündete, dass dieser Auftritt nach 18 Jahren der (vorerst) letzte ist, weil er eine Pause einlegen wird. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, der Öffentlichkeit seine mögliche Nachfolgerin zu präsentieren, Frau Dr. Tabea Raidt aus Lauffen. Auch sie hatte den Weg nach Eppingen gefunden und wird dem Vernehmen nach künftig die musikalische Verantwortung bei „PS“ übernehmen.
Chormusik vom Feinsten – ebenfalls mit einer enormen Bandbreite - boten anschließend auch die rund dreißig Akteure der „Young Voices“ aus Gemmingen unter der Leitung von Andrea Luz. Sie steuerten vier Titel bei, zwei davon garniert mit gelungener Performance: „So soll es bleiben“ von „Ich + Ich“, dem R&B-Hit „Ain't No Mountain Hight Enough“ von Marvin Gaye, „Music“ von John Miles, einer der Klassiker aus der Rockmusik“ und – als Zugabe – den Oliver-Gies-Song „Tatschophonie“.
Dann folgte ein „Interview mit Zeitzeugen“. Rudi Eyer sollte Carla Enchelmeier und Lothar Auchter zu den letzten Jahrzehnten Chorgeschichte befragen. Leider fiel Lothar kurzfristig krankheitsbedingt aus. Dafür offenbarte Carla einige interessante Details über die Fusion des Frauenchores mit den Männern zum „Gemischten Chor“, das legendäre „Nachsingen“ in den 70er und 80er Jahren, das oft bis in die Morgenstunden des folgenden Tages dauerte, und die Gründung der „Kraichgau Singers“. - auf Anregung des damaligen Dirigenten Herbert Kiefer.
Die gaben im Anschluss den Grönemeyer-Hit „Mambo“ zum Besten und stellten mit dem Titel „For The Beauty Of The Earth“ von John Rutter ihre enorme gesangliche Reichweite unter Beweis.
Auch die „Blue Man Gang“ kam nochmals mit einem Medley sowie dem Act „Drumbone“ auf die Bühne. Hanne Bartel-Thunert bedankte sich herzlich bei allen Akteuren vor und hinter den Kulissen, aber auch beim Publikum. Bei dem gewaltigen Finale wurden die „Kraichgau Singers“ von der „Blue Man Gang“ und dem Akkordeonorchester unterstützt (siehe Foto). Mit „Conquest Of Paradise“ von Vangelis aus dem Film „1492 - die Eroberung des Paradieses“ brachten die Akteure das Publikum zu „Standing Ovations“ und „Zu-ga-be, Zu-ga-be“ - Rufen. Die Verantwortlichen des Gesangvereins, Dirigentin Nelli Holzki, alle Mitwirkenden und die Besucher waren sich einig: Sie alle hatten einen Festabend der Extraklasse erlebt und sie freuen sich schon auf künftige Veranstaltungen....